Rezension – One Life

Bedingungslose Nächstenliebe

Nicholas Winton(Anthony Hopkins) ist ein alter Mann, den die Vergangenheit nicht loslässt. Er wohnt in einem wunderschönen Haus, ist glücklich verheiratet, zieht für sein Leben gerne bahnen in seinem Pool und engagiert sich ehrenamtlich wo er nur kann. Doch wie jeder und oftmals gerade die gutherzigsten Menschen, trägt auch er ein riesiges Päckchen mit sich herum. Zwischen 1938 und dem Beginn des zweiten Weltkrieges am 1.9.1939 gelang es „Nicky“ mit einigen Freunden und Familienmitgliedern, nachdem er die menschenunwürdigen Zustände in den Ghettos von Prag, als Folge auf Hitlers Annexion des Sudetenlandes mit Schrecken erlebt hatte, insgesamt 669 Kinder von dort nach England zu bringen, um sie dort an temporäre Pflegefamilien zu vermitteln. So leicht das auszusprechen sein mag, so schwer stellte sich allerdings die Realität dar, da neben der Beantragung von Visa, sowie etlichen weiteren Anträgen für jedes einzelne Kind, auch noch 50 Pfund pro Kopf für die Rücküberführung in die Heimat gestellt werden mussten, sobald die Gefahr für bereinigt erklärt würde. Diese bürokratische Sisyphos-Arbeit gilt es nun in der Vergangenheit und die Dämonen der selbigen Zeit in der Gegenwart zu bewältigen.

Ich möchte kaum etwas sagen, da dieses für mich Meisterwerk, ebenfalls ohne Sprache inhaltlich nicht bedeutungsschwangerer sein könnte. Anthony Hopkins, den ich aufgrund seiner schauspielerischen Klasse und Quietschfidelität im Leben, gar nicht bewusst altern lassen habe, wirkt gebrechlich und dennoch voller Tatendrang. Lebensfreude wäre zu viel gesagt, da ihn die Schicksale derer die er gerettet und vor allem derer die er nicht gerettet hat, in schwere Ketten legen. Seine Frau macht sich zurecht Sorgen um ihn, da der Aktenmessie sich wieder und wieder mit alledem umringt. Als sie allerdings für einige Tage wegfährt und Nicky zum wiederholten Male bittet, etwas auszumisten und sich von den benannten Altlasten zu trennen, trifft er die Entscheidung, endlich mit der Vergangenheit aufzuräumen, indem er sein Album, in welchem er die Kinder festgehalten hat, die er retten konnte und retten wollte, an die Öffentlichkeit bringt.

Dieser Film ist einfach berührend. Regisseur James Hawes ist mit seinem Kinodebüt eine wirkliche Glanzleistung gelungen. Das Prinzip, die Geschichte der Gegenwart mit Futter der Vergangenheit mittels Kontextualisierung zu bestücken, ist uns nicht neu und funktioniert oft nicht. „One Life“ perfektioniert diese Übergänge auf eine wundervolle Art und Weise, die man gesehen haben muss. Man wird bewegt, ohne überflutet zu werden mit unnötig überladenen Dialogen. Anthony Hopkins füllt die akustische Wortleere mit gigantischem Spiel und packt den Zuschauer von der ersten Sekunde an. Auch der Junge Nicholas Winston(Johnny Flynn) bekommt gut zutun, wobei er die mitreißende Verzweiflung im Hinblick auf die grausamen Umstände in den Prager Lagern perfekt verkörpert. Dieser Film wird getragen von seiner großartigen Story, die tragisch, herzlich und wundervoll-schrecklich zugleich ist. Ich bin froh, dass die der Geschichte würdige Besetzung so vorgenommen wurde, womit das fantastische Endresultat in jeder Sekunde glänzt. Helena Bonham Carter als Nickys Mutter und sogar Samuel Finzi, der mir das einzige Lächeln, abgesehen vom Ende, entlocken konnte, weil mich sein Auftauchen so dermaßen positiv überrascht hat, tragen ihr Übriges zu der tollen Leistung ihrer Kolleginnen und Kollegen bei.

One Life ist für mich bis dato der beste Film des Jahres und ein absolutes Muss für historisch und oder schauspielerisch interessierte Menschen, die sich gerne tragen und mitnehmen lassen. Dieser Konklusion gibt es nichts mehr hinzuzufügen, abgesehen von: Guckt euch diesen Film an!

Zurecht vergebe ich die allerersten 5/5 LADS

Bild: https://www.filmstarts.de/kritiken/286437/bilder/?cmediafile=22066114

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